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Gast

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Beitrag von Gast »

Jetzt mal ehrlich, Leute, habt ihr schon irgendwann mal mit eurem Motorrad gesprochen ? Ich meine jetzt nicht in der Art, wie es Leute tun, die ihrem Fahrzeug Namen geben wie ?Urmel? oder ?Fliewatüt? oder so und bei denen man nie genau weiß, ob sie von ihrem Moped oder ihrem Partner erzählen.

Nein, ich meine mehr so die kurzen Gedanken, die einem in Momenten innigster Verbundenheit zwischen Mensch und Maschine plötzlich durch den Kopf gehen, wie z.B. ?Na komm, meine Kleine, du wirst mich doch jetzt nicht im Stich lassen?, wenn man nach stundenlanger, nächtlicher Dauerregenfahrt plötzlich auf Reserve schalten muss und genau weiß, die nächste Tanke ist noch verdammt weit weg. Vielleicht hat der eine oder andere sich ja sogar schon mal dabei erwischt, wie er nach einer besonders schnellen Kurvenpartie oder einer halsbrecherisch gemeisterten Dünenpassage zärtlich über den Tank oder der Sitzbank streicht. Fast möchte man ein Stück Würfelzucker aus der Jackentasche holen.

Nein? Habt Ihr noch nie? Dann seid vielleicht ein wenig unromantisch, dafür aber völlig normal. Wahrscheinlich gehört Ihr dann auch nicht zu den Menschen, die ihr erstes 27 PS Motorrad jahrelang in der Ecke stehen lassen mit der Absicht, es eines Tages komplett zu restaurieren und dann ins Wohnzimmer zu stellen.

Wenn Euch so etwas aber irgendwie bekannt vorkommt, dann könnt Ihr bestimmt verstehen, dass in einer Werkstatt so manch seltsame, persönliche Situation zwischen Schrauber und Motorrad vorkommt.

Da wird die alte XT vor lauter Wut über den immer noch undichten Benzinhahn angeflucht, die XV nach der Ursache der seltsamen Aussetzer bei einer gewissen Drehzahl befragt oder die arme Africa Twin wegen ihres jämmerlichen Pflegezustandes bemitleidet. Sie war kaum noch fahrbar, weil die Kette beim Gasgeben ins Leere griff und über das völlig zahnlose Kettenrad rutschte.

Und dann war da noch der Tag, als dieser Typ mit der alten BMW auftauchte. Wenn eine R 80 G/S auf den Hof fährt, dann erwarte ich normalerweise einen erfahrenen, am besten Pfeife rauchenden Fahrer, der die alte, konventionelle Technik kennt und mag, für den Drehzahlen über 5000 1/min die reinste Horrorvorstellung sind und der jede Menge Aufkleber auf seinen Koffern hat, wenn schon nicht aus Afrika, dann wenigstens vom Nordkap.

Aber der hier sollte ganz anders sein. ?Irgendwas stimmt mit der Kiste nicht?, meinte er ?Sie zieht einfach nicht mehr über 160 km/h.? ?Oouups?, dachte ich bei mir, ?der Typ prügelt sein altes Schätzchen tatsächlich ans Limit.? Das gefiel mir nicht. ?War vielleicht nur ?ne einmalige Sache? antwortete ich, ?kleiner Schwächeanfall.? Das Motorrad tat mir jetzt schon leid. ?Ne einmalige Sache?? blaffte er ?ich bin gestern von Nürnberg bis hier geknallt und hab? den Bock nicht einmal über 160 gekriegt.? Von Nürnberg bis Essen Dauervollgas? Der Typ gefiel mir wirklich nicht!

Aber vielleicht war es ja nur Unkenntnis. Ich beschloss, ihm eine Chance zu geben und es mit technischer Aufklärung zu versuchen.

Und so erzählte ich ihm von Kolben, die von Null auf über 50 km/h beschleunigt werden, brutal wieder abgebremst werden, um dann sofort wieder in die Gegenrichtung zu rasen, dabei mit mehreren Hundert Grad und bis zu 30 Bar einen auf den Deckel kriegen und das ca. 60 mal pro Sekunde. Ich erzählte von heißen Gasen, die mit Schallgeschwindigkeit an den Ventilen vorbei in den Krümmer gepresst werden, von Zahnrädern, die in Öl schlagen, von Ketten, die mit ungeheurer Geschwindigkeit Wellen antreiben, von Wellen, die auf Stößel schlagen, Stößel auf Stößelstangen, Stößelstangen auf Kipphebel, usw.

Ich erklärte ihm, warum alle diese Bauteile aufgrund ihrer Massenträgheit eine gewisse Geschwindigkeit nicht überschreiten dürfen und malte aus, was beim Überdrehen eines Motors alles passieren könnte.

Mittlerweile war ich richtig in Rage. Ich erzählte ihm von sehr dünnen Ölfilmen, von den Molekülen des Motoröls, die wie kleine Kugellager zwischen Kolbenringen und Zylinderwand arbeiten und denen die extremen Temperaturen schwer zu schaffen machen und von der Lebensdauer seines Motors und überhaupt.

Aber als ich fertig war, starrte der Typ mich nur an und sagte ?Weißt du was cool ist mit dem Bock? Autobahnfahrten im Dunkeln. Dann, wenn die Krümmer so richtig schön glühen?.

Ich behielt die BMW einige Tage da. Viel blieb mir eigentlich nicht zu tun. Ventilspiel und Kompression checken, Feineinstellung der Vergaser, Zündkerzen kontrollieren, usw. Entgegen meinen Befürchtungen war der Motor eigentlich in gutem Zustand ? ein Beweis dafür, dass ich in punkto Motorbelastung doch etwas übersensibel bin. Und trotzdem, als sie dann vom Hof fuhr, da war mir einen Moment, als hätte ich jemanden sagen hören ?Bitte bitte, schick mich nicht zurück?.

Kopiert vom Elchi´s Internetseite.
Ich fand es einfach zu Geil um es euch nicht zu zeigen !
sdr
Beiträge: 33
Registriert: Di 9. Nov 2004, 01:00

Beitrag von sdr »

schön, wenn alte boxer rennen dürfen und nicht totgebummelt werden !
joe
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